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  • Quartiersflyer April 2024

    Der April beginnt mit dem Ostermontag und noch einer Woche Osterferien. Deshalb gibt es viele Aktivitäten für Kinder wie das Musikinstrumente Basteln mit dem Freilandlabor oder das FuN-Ferienprogramm. Aber auch für die Älteren ist wieder einiges im Programm, von Beratungsangeboten bis zu Bingo-Veranstaltungen. Das alles und viele Termine, Tipps und Treffs im aktuellen Quartiersflyer, den Sie hier herunterladen können. [mehr]

Ein Tag mit den Peer Helpern von FUNTASTICS in der Weißen Siedlung

Es ist ein Mittwochnachmittag in den Osterferien, sonnig, aber eher kühl. Ines Veits ist mit ihren FUNTASTICS Peer Helpern und Ursula Müller vom Freilandlabor Britz e. V. am Platz an der Sonnenuhr in der Weißen Siedlung eingetroffen und wartet auf die ersten Kinder, für die sie hier ihr Ferienprogramm anbieten. Allerdings gehört Warten nicht zu den Tätigkeiten, auf die sich Veits gern einlässt. Also treibt sie ihre Peer Helper an, schon mal einen Hindernisparcours einzurichten und nicht einfach herumzustehen.

Begonnen hat ihr Engagement in der Jugendarbeit 2005 als Freiberuflerin am „Tower“, der heutigen „Kinderwelt am Feld“. Bereits hier ermutigt sie Jugendliche, sich schulen zu lassen, um selbst Kinder und jüngere Jugendliche bei deren Freizeitgestaltung anzuleiten und zu betreuen. Irgendwann in den folgenden Jahren stößt sie auf Christian Hörr und sein Peer Helper Netzwerk Neukölln. Die beiden treffen sich, stellen fest, dass sie ähnliche bis identische Ansätze verfolgen und schließen sich zusammen. Seit 2015 ist Veits im Nachbarschaftsheim Neukölln e.V. Sie arbeitet im Peer Helper Netzwerk als Teamleiterin, als Projektleiterin bei den FUNTASTICS und im FUN Projekt in der Weißen Siedlung. Zusätzlich leitet sie den Jugendbeirat in der Weißen Siedlung.

Gerade in Quartieren wie der Weißen Siedlung mit ihrem hohen Anteil an Kindern und Jugendlichen besteht immenser Bedarf an Kinder- und Jugend-Freizeitangeboten, dem die Träger vor Ort nur zum Teil gerecht werden können. Insbesondere in der Ferienzeit fehlt es häufig an Möglichkeiten, die Freizeit sinnvoll zu gestalten, zumal viele Kinder nicht verreisen und die Familien oft überfordert sind, Angebote jenseits der Quartiersgrenzen zu erschließen. Kinder aus den sozial schwächsten Familien sind darüber hinaus besonders schlecht in Regelstrukturen eingebunden. Besonders für sie werden mit dem Peer-Helper-Ansatz nun seit einigen Jahren neue Wege bei der Gestaltung von Freizeitangeboten erprobt und erfolgreich umgesetzt. 

Peer Helper sind Jugendliche wie etwa der heute 19jährige Djamal. Er ist vor einigen Jahren aus eigenem Antrieb Mitglied einer Neuköllner Jugendjury geworden, weil er sich dafür einsetzen wollte, das Angebot für Jugendliche in seinem Bezirk zu verbessern. Dabei lernt er Veits kennen. Sie schlägt ihm vor, eine Schulung zum Peer Helper zu machen. Innerhalb von drei Monaten lernt er, worauf es ankommt, wenn man professionell mit Kindern umgehen will, und wird Teil des FUNTASTICS Peer-Helper-Teams der Weißen Siedlung. Sein Engagement dort macht ihm so viel Spaß, dass er gleich noch eine zweijährige Ausbildung zum Sozialassistenten absolviert, um auch auf längere Sicht beruflich in diesem Bereich arbeiten zu können.

Dilsa, ebenfalls 19, kennt Veits bereits seit sie fünf Jahre alt ist. Mit 13 hat sie auf ihr Anraten hin ihre Peer-Helper-Schulung an der „Kinderwelt am Feld“ gemacht. Ibrahim (14 Jahre) und Yusef (12 Jahre), hat Veits bei Projekten, an denen sie teilgenommen haben, angesprochen. Die Frage, ob sie sich vorstellen könnten, selbst ähnliche Aktivitäten für andere anzuleiten, haben beide mit ja beantwortet – und sind seitdem engagiert bei der Sache. 

Der mit zwölf Jahren neben Yusef jüngste Peer Helper, der heute an der Sonnenuhr hinter der Aronsstraße 61 unter anderem dabei mithilft, einen Hindernisparcours für Kinder der Weißen Siedlung aufzubauen, ist Arda. Er hat seine Schulung bereits mit elf erhalten. Die älteste Aktive ist Linda. Mit ihren 20 Jahren hat sie bereits das Fachabi in der Tasche. Derzeit wartet sie auf einen Ausbildungsplatz zur Mediengestalterin. Seit einem Jahr ist sie mit den FUNTASTICS in der Weißen Siedlung aktiv. Parallel arbeitet sie als Honorarkraft in der „Kinderwelt am Feld“, ausgebildet worden ist auch sie von Veits. Was ihr besonders an ihrer Arbeit als Peer Helperin gefällt ist, „dass das eine freiwillige Veranstaltung ist. Es macht Spaß. Vor allem, weil man sich immer wieder frei dafür entscheiden kann“, sagt sie.

In der Weißen Siedlung ist derzeit ein Team mit neun bis 15 aktiven Peer Helpern im Einsatz. Sie unterstützen insbesondere bei der Planung und Durchführung von Ferienangeboten, wie jetzt in den Osterferien. Neben dem Hindernisparcours stehen an diesem Mittwoch weitere Wurf- und Geschicklichkeitsspiele auf dem Programm – und eine Pflanzaktion, die Frau Müller vom Freilandlabor Britz e. V. betreut. In dafür umfunktionierten Tetra Packs können die Teilnehmer Kapuzinerkresse oder Gurken einpflanzen, mit nach Hause nehmen und dort weiter beobachten. 

Während die Ferienveranstaltungen bis zu den Osterfeiertagen recht gut besucht waren, sind heute allerdings weniger Kinder und Jugendliche zur Sonnenuhr gekommen als erwartet. Durch laute Musik vom Handy über Bluetooth-Boxen gelingt es jedoch im Lauf des Nachmittags, die Zahl der Teilnehmer zu erhöhen. Da am nächsten Tag ein großes Hot Dock- und Puddingessen auf dem Programm steht, das noch vorbereitet werden muss, lassen sich Zeit und vorhandene Arbeitskraft aber auch so zielführend nutzen.

Auf dem blauen Bolzplatz findet gleichzeitig ein ebenfalls von den FUNTASTICS betreutes Fußballspiel statt. Issam ist hier mit 19 Jahren der Koordinator und auch auf dem Fußballfeld für das Fair Play zuständig. Seit 2016 Peer Helper und Teil der FUNTASTICS, engagiert er sich zusätzlich für den Jugendbeirat und kandidiert in diesem Jahr erstmals für den Quartiersrat. Das zieht natürlich immer. Bei ebenfalls lauter Musik und Ansagen über Mikrofon spielen hier zwei komplette Mannschaften beiderlei Geschlechts von circa 6 bis 20 Jahre mit offensichtlich großem Spaß gegeneinander. 

„Die Jugendlichen abzuholen und zu begeistern“, sagt Veits, „fällt uns relativ leicht. Was leider immer noch schwierig ist, ist die Eltern einzubeziehen. Die sind für uns weniger gut zu erreichen als die Kinder. Dabei wäre ihre Mithilfe für unsere Arbeit besonders wertvoll.“ Aber auch so lassen sich im Gespräch mit den Jugendlichen die Erfolge des Ansatzes erkennen. So kommen ihnen die in Schulungen und im praktischen Umgang mit den Kindern des Quartiers erworbenen Kompetenzen nicht nur in ihrem schulischen und späteren beruflichen Leben zugute, sondern steigern auch ihr Selbstwertgefühl. Ihre Kenntnisse in der Anleitung von Kindergruppen, beim Umgang mit Konflikten und der Organisation von Veranstaltungen motivieren sie und machen sie gleichzeitig zu Vorbildern für andere Kinder und Jugendliche im Kiez. Damit sind sie ein wichtiger Bestandteil des sozialen Engagements in der Nachbarschaft.

„Ungefähr fünfundsechzig Peer Helper habe ich über die Jahre ausgebildet“, überschlägt Veits. Darauf ist sie, wie man merkt, mindestens ein klein wenig stolz – und zwar völlig zurecht.

Text und Bilder: H. Heiland