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Die offene Familiengruppe und Stephanie Heldt - Austausch in Zeiten der Kontaktsperre

Stephanie Heldt (42) ist Mutter zweier lebhafter Töchter von fünf und zwölf Jahren und hat Pädagogik, Soziologie und Interkulturelle Kommunikation studiert. Mehrere Jahre arbeitete sie in diversen pädagogischen und sozialpädagogischen Projekten, wie einem AWO- Kitabegegnungszentrum in Halle an der Saale, bevor sie nach Berlin umgezogen ist. Seit Anfang 2020 ist sie Leiterin der Offenen Familiengruppe in der Weißen Siedlung. Dieses neue Projekt des Evangelischen Kirchenkreises Neukölln richtet sich an Familien mit Kindern zwischen anderthalb und sechs Jahren, die keinen Kitaplatz haben. Sein Ziel ist es, die Kinder in ihrer Entwicklung zu fördern und die Familien bei der Vorbereitung der Kinder auf die Schule zu unterstützen. Eltern haben im Projekt die Möglichkeit, sich mit anderen Eltern auszutauschen und familienbildende Angebote wahrzunehmen. Finanziert wird die Offene Familiengruppe aus dem Projektfonds Soziale Stadt.

Bereits seit dem 7. Januar 2020 hat Stephanie Heldt mit dem Team des Familienzentrums Debora begonnen, ein Konzept zu entwickeln, wie sich ihre Arbeit mit Kindern und Eltern in der Offenen Familiengruppe gestalten soll. Dafür musste einiges organisiert werden: Das Familienzimmer im Clubhaus Phase II, in dem die Offene Familiengruppe dienstags und donnerstags jeweils von 9:30 bis 12:00 Uhr ihren festen Ort hat, wurde für die pädagogischen Aufgaben optimiert. Weitere Fördermaterialien, Spielzeug, Bücher, Gestaltungsutensilien sowie Technik – etwa ein Fotoapparat und eine Bassbox – wurden besorgt. Eine Projektplanung und konkrete Ablaufideen wurden ausgearbeitet. Diese sind im Sinne eines Rahmens zu verstehen und sollen neue Impulse sein für die Zusammenarbeit mit Familien. Entscheidend ist, dass das Projekt von Familien auch selbst gestaltet wird und somit genügend Raum für Eigenaktivitäten und Ideenreichtum der teilnehmenden Kinder und ihrer Eltern bietet.

Parallel galt es, für das neue Angebot zu werben. Flyer und Plakate wurden unter anderen in Kitas der Umgebung und der Sonnen-Grundschule verteilt und aufgehängt, Eltern im Quartier gezielt angesprochen. In der ersten Märzwoche erfolgte dann der eigentliche Projektstart. Am 3. März gab es das erste Treffen im Clubhaus Phase II. Vier Familien sind aktuell im Projekt. Auf längere Sicht soll sich diese Zahl auf sieben bis acht erhöhen.

Schnell hat sich bereits ein verlässlicher Ablauf eingespielt: Meist kommen die Kinder im Kitaalter mit einem Elternteil, manchmal aber auch mit einer Familienhelferin, je nach Familienkonstellation, und auch Geschwisterkinder sind willkommen. Stephanie Heldt ist ab 9 Uhr vor Ort, die Teilnehmer sollten bis 9:45 Uhr spätestens eintreffen, damit genügend Zeit für gemeinsame Unternehmungen bis zum Mittag bleibt.

Der Start in den Tag erfolgt dann mit dem Ritual des gemeinsam gesungenen Begrüßungslieds. Es folgen Angebote, um gezielt Motorik, Sprache und Sozialverhalten zu fördern – Singen, Tanzen, Bewegungsspiele. Auch eine kleine Gesprächsrunde mit Kindern und Eltern findet nun statt. Danach ist üblicherweise Kreativität gefragt: Eine Ideen-Box entsteht da beispielsweise, die die Kinder kreativ mit Schnipseln bekleben, aus Eierkartons werden zur kleinen Geschichte „Da oben auf dem Berge“ Zwerge gebastelt und vieles mehr. Anschließend wird ein gesunder Snack vorbereitet. Die Eltern bringen dafür auch Obst und Gemüse von zu Hause mit. Es wird gemeinsam gegessen und geplaudert. Nach dem gemeinsamen Aufräumen werden Verabredungen für das nächste Treffen gemacht. Kinder und Eltern lassen ihre Ideen und Pläne einfließen. Zum Abschluss singen alle das Abschlusslied.

Dann jedoch, nach nur zwei Wochen, haben die Kontaktbeschränkungen aufgrund von Corona die persönlichen Treffen auf unbestimmte Zeit unterbunden. Ab Freitag, 13. März war klar: gemeinsam in einem Raum - dies geht nicht mehr. Nun galt es, erneut kreativ zu werden und Ideen zu finden, wie sich das Miteinander auch über die Distanz aufrechterhalten lassen kann.

Statt persönlicher Begegnung versucht Stephanie Heldt seitdem mit den Familien über Telefon und E-Mail in Kontakt zu bleiben. Regelmäßig erkundigt sie sich danach, wie die aktuelle Situation in der Familie ist. Hat es zum Beispiel Geburtstage gegeben, was haben die Familien erlebt, womit haben sie sich zu Hause beschäftigt? Gibt es Probleme? Außerdem gibt es wöchentlich Bastelanleitungen oder Rezepte, Anregungen zu Bewegungs- oder Fingerspielen – alles bebildert, da bei drei von vier Familien eingeschränkte Deutschkenntnisse vorhanden sind.

Und Stephanie Heldt bittet um Rückmeldung. So erhält sie von den Familien Fotos mit den Ergebnissen der Basteleien. Regelmäßiger Austausch findet also statt, auch wenn die persönlichen Treffen natürlich fehlen. Da diese Situation, wie es aussieht, noch eine Weile andauern wird, gilt es, die Weiterführung der Familiengruppe über die Distanz weiter zu optimieren. Wie auch in anderen Bereichen werden neue Wege gesucht, in Kontakt zu bleiben in einer Situation, die für alle neu ist.

Unter anderem gibt es dafür auf der Internetseite des Evangelischen Kirchenkreises Neukölln den Link „Familie JETZT“, wo sich Beschäftigungsideen für zu Hause finden lassen. Auch auf Hilfsangebote und Krisendienste wird auf der Internetseide verwiesen. Stephanie Heldt steht zudem einen Tag in der Woche bereit, Anrufe über das Anfang April eingerichtete Krisentelefon „Hotline Familie“ entgegenzunehmen. Hier kann man bei Erziehungsfragen, Problemlagen in der Familie anrufen oder einfach, um sich mal Luft zu machen, wenn gerade alles zu viel wird. Die Pädagogen, die hier am Telefon beraten, haben ein offenes Ohr und Verständnis für die schwierige Situation in den Familien seit der Kontaktsperre durch Corona. Sieverweisen auch auf weiterführende Hilfsangebote.

Auch kostenfreie Online-Kurse und seriöse Internetquellen zu aktuellen Informationen hinsichtlich der Corona-Krise werden an die Familien der Offenen Familiengruppe weitergeleitet. Gerade beim Beschreiten dieser neuen Wege, sagt Stephanie Heldt, merke man, wie kreativ man sein kann, was alles geht. Dennoch, Familienarbeit lebt vor allem vom persönlichen Austausch, der Interaktion, dem gemeinsamen Erlebnis vor Ort. Das aber wird erst nach Aufhebung der Kontaktbeschränkungen der Corona-Krise möglich sein. Stephanie Heldt kann diesen Tag – genau wie die meisten anderen – kaum erwarten.

Text: H. Heiland; Bilder: S. Heldt